Ulan Dürr

Zur Entlassung nach dem ersten Weltkrieg für Ulan Dürr aus Markgröningen Bild: Verlag A. Wolf, Quelle: Heinz Dürr

Stadtwappen 1920er

Stadtwappen um 1925
Bild: Kaffee-Hag-Marke

Schmalzried

Karl August Schmalzried, Schultheiß  (1890 bis 1925)
Quelle: 100 Jahre TVM

Heinrich Zillhardt

Schultheiß Heinrich Zillhardt (1925-1933)
Quelle: Stadtarchiv MG

Bürgermeister Krinn

Bürgermeister Ludwig Krinn (1934-1944)
Quelle: Nachlass Krinn

Marktbrunnen-Wappner 1957

Wappner des Marktbrunnens ab 1930 mit Schwert
Bild: Erhard Lenk

Nazi-Nachwuchs

Früh übt sich …
Quelle: Nachlass Schmid

Adolf-Hitler-Str. 1

Schmidscher Laden in der  Adolf-Hitler-Str. 1, heute Bahnhofstraße
Quelle:: Nachlass Schmid

Literatur
Zeitzeugenberichte in: Markgröningen – Menschen und ihre Stadt. Durch die Stadtbrille 6/2000. Siehe Artikel-Archiv 1919-1945

Quellen
Geschichte der
Kriegsereignisse in Markgröningen (Bilanz der
Stadt von 1948) [PDF]

Irma Christmann: Markgröningen 1945. Tagebuch über die letzten Kriegstage und die Anfänge des Besatzungsregimes. [PDF]

Stadtgeschichte von 1919 bis 1945:

Weimarer Republik und Nazi-Regime

Krisen im freien Voksstaat Württemberg
Nach der hierzulande unblutig verlaufenen Novemberrevolution 1918 wurde aus dem Königreich Württemberg ein demokratischer „Volksstaat”, dessen 1919 verabschiedete Verfassung diejenige des Königreichs von 1819 ersetzte. Die Stadt zählte 1919 3256 Einwohner. Reaktionäre Kräfte sammelten sich auch in Markgröningen im sogenannten Kriegerverein. Einen Gegenpol bildete die wachsende Arbeiterbewegung, die sich in eigenen Vereinen bzw. Ortsgruppen der SPD und KPD organisierte und sich auch im Gemeinderat etablieren konnte. Beschäftigung für Arbeiter boten vor Ort die Seidenweberei, die Seilerei Näher, die Gerberei Schütt, die Ziegelei Layher, der Steinbruch Wild, die Papiermühle oder die Hammerschmiede. Mit der Bahn pendelten viele Arbeitskräfte zum Salamander in Kornwestheim.

Neben Liederkranz, Krieger- und Turnverein etablierten sich nach dem ersten Weltkrieg etliche neue Vereine wie der Fußballverein, der Arbeiter-Sportverein und der Vorwärts, der Athletiksportverein, der Radfahrerverein, der CVJM, der Handharmonika-Club oder der Musikverein. 1925 trat erstmals der nach Rothenburger Vorbild und großteils aus Mitgliedern des TVM zusammengestellte Schäfertanz auf.

In den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg musste die klamme Stadt erst das „Kinderschüle“ und 1922 sogar die 1354 erstmals erwähnte Lateinschule schließen. Getrieben von der grassierenden Inflation schaffte man 1923 schließlich die Stelle des Hospitalverwalters ab, um Vermögen und Wirtschaftsbetrieb des seit 1552 autonom verwalteten Heilig-Geist-Spitals dem städtischen Haushalt zuzuführen. Weil viele Felder durch die Realteilung zu unwirtschaftlichen  „Sackbändeln” reduziert waren, wurde 1922 auf dem Langen Feld eine Flurbereinigung angestoßen. 1925 ging der langjährige Stadtschultheiß Karl-August Schmalzried in den Ruhestand. Im November wurde der vormalige Spitalverwalter und Stadtpfleger Heinrich Zillhardt zum Nachfolger gewählt. Von 1444 Wahlberechtigten stimmten 1264 für Zillhardt und 166 für die drei anderen Kandidaten. 1925 zählte die Stadt 3282 Einwohner.

In der Nacht zum 22. August 1927 brannten sechs Häuser und Scheuern beim Saitenbrunnen in der unteren Wettegasse ab. Ein weiteres Ausgreifen des Großbrands war nur mit Hilfe auswärtiger Feuerwehren zu verhindern. Obdachlose Bewohner wurden vorläufig im Spital untergebracht. Der Brandstifter konnte nicht ermittelt werden. 1928 erbaute die Stadt in den Staigwiesen an der Vaihinger Straße die erste Kläranlage, die allerdings nur aus einem Absetzbecken bestand. Kurz darauf sahen sich die Stadt und ihre Bürger mit den Folgen der Weltwirtschaftskrise konfrontiert. Dennoch wurde 1930 das Rathaus aufwendig renoviert. Dabei ersetzte man das zentrale Doppelportal durch ein nach links versetztes breiteres Portal und baute den Balkon darüber ab. Der Stab des Wappners auf dem Marktbrunnen wurde durch ein Schwert ersetzt, was im Nachhinein wie ein Fanal erscheint. Hermann Römer übernahm 1930 die vom Land initiierte Erfassung der Flurnamen und deren Deutung. Eine Auswahl fand Eingang in die 1930 erstellte Flurnamenkarte. Von der etwa 200 Hektar großen Markgröninger Markung waren damals gerade mal 20 Hektar überbaut.

Nach der „Machtergreifung”
Am 6. April 1933 wurde per Gleichschaltungs-Dekret des Innenministeriums der Gemeinderat aufgelöst und die kommunale Selbstverwaltung zurechtgestutzt. Bei der am 27. April erfolgten „Neuwahl“ von zehn statt 16 Stadträten stand das Ergebnis von vornherein fest. Sechs der künftigen Gemeinderäte erschienen zur Amtseinsetzung in SA-Uniform. KPD und SPD waren nicht mehr vertreten. Im Zuge einer vom NSDAP-Ortsgruppenleiter Wilhelm Schmückle einberufenen Gemeinderatssitzung wurde Bürgermeister Zillhardt am 20. Juli 1933 mit fadenscheiniger Begründung abgesetzt. Obwohl dieser allseits geschätzt war, lehnte sich die Bevölkerung nicht offen gegen diesen Putsch seitens des Ortsgruppenleiters auf. Drei Gemeinderäte und zwei Nachrücker reagierten allerdings durch Amtsverzicht. Ihre vakanten Sitze wurden darauf nicht wiederbesetzt. Im Gremium saßen fortan nur noch Parteimitglieder. Nachdem 1935 die Kommunalwahlen abgeschafft waren, hatten selbst diese nur noch beratende Funktion und wurden gegebenenfalls von der örtlichen Parteileitung berufen. Nachdem Zillhardts Widerspruch gegen seine Suspendierung abschlägig beschieden war, wurde 1934 Ludwig Krinn zum Bürgermeister bestimmt, der meist in SA-Uniform auftrat und bis 1945 im Amt blieb. Bei der Wahl zum Kirchengemeinderat versuchten die Nazis jedoch vergeblich, sich vorab ein Sitzkontingent zu sichern, und brachten trotz massiver Propaganda und Präsenz vor dem Wahllokal keinen Kandidaten durch.

Die Bahnhofstraße wurde in „Adolf-Hitler-Straße“, die Helenen- in „Hindenburgstraße“, die Paulinen- in „Otto-Mergenthaler-Straße” und die Karlstraße nach dem Gauleiter Wilhelm Murr umbenannt. Der Schäferlauf bekam einen „völkischen“ Charakter. 1936 wurde die vom Markgröninger Verlag Koloman Renczes herausgegebene und gedruckte Markgröninger Zeitung eingestellt und die Ludwigsburger Zeitung zum alleinigen Amtsblatt sämtlicher Behörden und zum „Verkündigungsblatt der NSDAP“ bestimmt. 1938 wurde das Oberamt zum „Kreis Ludwigsburg“ und dabei um den Großteil der Oberämter Besigheim und Marbach sowie um Gemeinden der neuen Kreise Waiblingen und Vaihingen, darunter Unterriexingen, erweitert. Dem sozialistischen Touristenverein Die Naturfreunde wurde sein 1913 bis 1919 erbautes Naturfreundehaus über dem Leudelsbachtal abgenommen und zum Müttergenesungsheim umgewandelt. Am rechten Enzhang entlang und im unteren Glemstal ließ das Oberste Heereskommando ab 1935 eine Kette von Bunkern mit Gefechtsständen und Armierungsschuppen für die Neckar-Enz-Stellung aufbauen.

Während des Zweiten Weltkriegs
Im Zuge des „Euthanasie-Programms“ bzw. der „Aktion T4” wurden von 1940 bis 1941 120 Insassen der „Landesfürsorgeanstalt“ für Behinderte und „Schwachsinnige” nach Grafeneck verfrachtet und dort ermordet. Bürger jüdischen Glaubens gab es in Markgröningen nicht. Einige wenige mit teils jüdischen Vorfahren blieben unbehelligt. Westlich von Unterriexingen richteten die Nazis ein Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof ein, in dem von Oktober 1944 bis April 1945 etwa 1.000 zumeist jüdische Häftlinge zur Zwangsarbeit auf dem Fliegerhorst Großsachsenheim, beim Stollenbau und bei Aufräumarbeiten nach Luftangriffen eingesetzt wurden. Unter den elendigen Bedingungen gingen viele von ihnen zugrunde. Etwa 250 der Toten wurden auf dem KZ-Friedhof am Berghang oberhalb der Straße nach Oberriexingen begraben. Ein Obelisk und eine Gedenktafel erinnern an diese Opfer des NS-Gewaltregimes.

Durch die zunehmenden Luftangriffe in Existenznot geraten, kamen ab 1944 viele Stuttgarter nach Markgröningen, um Wertgegenstände gegen Lebensmittel einzutauschen oder sich von ihrer Verwandtschaft „durchfüttern” zu lassen. In Markgröningen wurden Keller zu Luftschutzräumen umgebaut und außerhalb der Stadt einige Stollen in Böschungen an der Vaihinger Steige, am alten Tammer Weg, im Kuckuck, am Taler Weg und in der Weißhälde gegraben. Vom Luftkrieg blieb Markgröningen jedoch weitgehend verschont und verzeichnete nur wenige Bombentreffer. Deren Druckwellen zogen allerdings etliche Dächer und Fensterscheiben in Mitleidenschaft. Am 13. März 1945 stoppten französische Jagdflieger den ausfahrenden Feierabend-Zug mittels eines Bombenabwurfs vor die Lok und beschossen mehrfach die vollbesetzten Waggons mit ihren Bordkanonen. Es gab 24 Tote, darunter das vierköpfige Zugpersonal, und rund 50 Verletzte: vor allem Beschäftigte der nach Markgröningen ausgelagerten Produktionsstätten der Firmen Krone und Porsche sowie einige russische Kriegsgefangene und eine Markgröninger Bürgerin.

Der Artilleriebeschuss der Stadt durch heranrückende französische Bodentruppen hielt sich hingegen in Grenzen, weil sie trotz der Neckar-Enz-Stellung (siehe Karte) letztlich nicht verteidigt wurde.  Am 20. April 1945 zogen morgens „die letzten deutschen Kolonnen in geordnetem Marsch … den Graben herauf in Richtung Stuttgart”, weil die Amerikaner im Osten der Neckar-Enz-Stellung nach Süden vorrückten und damit eine Einkesselung drohte. Ein vermeintlich fahnenflüchtiger Soldat wurde oberhalb der Papiermühle erhängt.
Zuvor waren an der Hangkante des Glemstals noch Stellungen eingerichtet, improvisierte Panzersperren an der Steige und vor dem Oberen Tor angelegt und die Brücken über die Glems und den Leudelsbach gesprengt worden. Kurz vor Ankunft der Franzosen wurde auch die jüngere Gruppe des „Volkssturms“ nach Südosten abkommandiert. Die verbliebene ältere Gruppe löste sich auf, nachdem sich NSDAP-Ortsgruppenleiter Wilhelm Schmückle mit seinem Anhang aus dem Staub gemacht hatte. Ohne Uniform gelang es einigen der jüngeren Volkssturm-Rekruten, sich bei Schorndorf abzusetzen und sich nach Markgröningen durchzuschlagen. In entgegengesetzter Richtung war Ortsgruppenleiter Schmückle unterwegs. Er wurde auf der Flucht in Zivil gefasst und auf dem Asperg inhaftiert.

Der eigenwillige Umgang der damals noch zahlreichen Bauern mit den Vorschriften des vom „Reichsnährstand“ zumeist begrüßten NS-Regimes sollte sich zum Kriegsende für die Stadt auszahlen: Weil sie die ihnen zugeteilten französischen Kriegsgefangenen weit mehr als erlaubt ins Familienleben integriert und gut behandelt hatten, setzten sich diese im Gegenzug dafür ein, dass die am 21. April 1945 in Markgröningen einrückenden französischen Truppen vergleichsweise schonend mit der Bevölkerung umgingen. Geplündert wurde nur in der Landarmenanstalt und im Kaufhaus Friedrich Pehe. Eingezogen wurden Kraftfahrzeuge, Mopeds, Fahrräder, Volksempfänger, elektrische Geräte und Waffen. Weil auch alle Fotoapparate konfisziert wurden, existieren von den Nachkriegsjahren fast keine Bilder. Abrückende französische Kriegsgefangene mussten von ihren ehemaligen Arbeitgebern mit „bestem Zivil” ausgestattet werden. Aufgrund ihrer Fürsprache wurde der Arzt Dr. Karl Umbach zum kommissarischen Bürgermeister ernannt. Im Schloss und in den moderneren Häusern insbesondere an der Schillerstraße bezogen die Besatzungstruppen Quartier. Am 15. Juli 1945 lösten „Amis“ die „feierfreudigen“ Franzosen ab und verhinderten Plünderungen zu deren Abschied.
Als erste Kommune im Land aberkannte die Stadt am 31. Juli 1945 Adolf Hitler die einst obligatorische Ehrenbürgerwürde.

Nachwehen
Noch nicht heimgekehrte Zwangsarbeiter aus Polen und Russland unternahmen nach dem Zweiten Weltkrieg Raubzüge in der Umgebung Markgröningens und suchten neben Talhausen und dem Aichholzhof auch den Raiserhof, das Landhaus Frank und die Spitalmühle heim. In der Nacht zum 10. November 1945 überfielen sie die Spitalmühle, trieben alle auffindbaren Bewohner in den Keller und töteten sie dort durch Kopfschuss. Die Bande wurde 1946 von der amerikanischen Militärpolizei gefasst und inhaftiert. Die beiden mutmaßlichen Todesschützen wurden hingerichtet.

1948 erstellte die Stadtverwaltung einen bitteren Rückblick auf die NS-Ära und verzeichnete die kriegsbedingten Schäden und Verluste (PDF). Bei Kriegseinsätzen oder in Gefangenschaft verlor Markgröningen insgesamt 204 „Söhne der Stadt“, doppelt so viele wie im Ersten Weltkrieg. Dem Artilleriebeschuss der Stadt und der Bahn fielen drei einheimische Zivilpersonen zum Opfer. Trotz dieser Verluste erhöhte sich die Einwohnerzahl bis 1946 durch den Zuzug von Evakuierten, Flüchtlingen und Vertriebenen von 3778 (1939) auf 4602 Einwohner. Bis 1950 sollten noch 1452 hinzukommen. Dem damit verbundenen eklatanten Wohnraummangel konnte anfangs nur mit Einquartierungen begegnet werden. Die letzten Kriegsgefangenen sollten erst gegen Ende der 1950er Jahre nach Markgröningen zurückkehren.
Einige hiesige Familien unterhielten noch jahrelang Briefkontakt zu den einst zugeteilten französischen Kriegsgefangenen. Manche besuchten „ihren Franzosen” oder gar ihren Vater in dessen Heimat.

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Geschichte von 1919 bis 1945

Luftbild 1924 von Südwesten

Markgröningen 1924 (von Südwesten) mit der Seide, dem ersten Industriebetrieb (heute Mahle)
Bild: Paul Strähle, Quelle: StadtA MG

Die noch komplett erhaltenen Wirtschaftsgebäude des Spitals waren großteils verpachtet
Bild: Grüninger, Wikimedia

Der 1925 erstmals auftretende Schäfertanz mit Vortänzer Karl Hetterich vor dem Schloss
Quelle: 100 Jahre TVM

Brandplatz 1927

Brandplatz am Saitenbrunnen 1927
Bild: Eduard Haidle

Arbeitersportverein Markgröningen

Arbeiter-Sportverein um 1930
Quelle: 100 Jahre TVM

Nazis Festzug

Nazis um Ortsgruppenleiter Wilhelm Schmückle (3. v.l.) im Festzug des Schäferlaufs (nach 1933)
Bild: AGD, Nachlass Tomschik

Marktplatz um 1940

Marktplatz während des Schäferlaufs (um 1940)
Bild: Edmund Müller, LABW, HStA Stuttgart

Stoppelfeld

Hitlergruß auf dem Stoppelfeld
Bild: AGD, Quelle: Nachlass Tomschik

Franz. Kriegsgefangene im April 1941

Französische Kriegsgefangene im April 1941
Quelle: Margret Böhringer

Stollenbau Tammer Weg

Auf Initiative von Emil Rink (rechts vom Zugang) erstellter Luftschutzstollen am Tammer Weg
Quelle: Horst Krämer

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Von Tieffliegern attackierte und ausgebrannte Waggons, 1945 abgestellt im Bahnhof
Quelle: Nachlass Wild (zum Vergrößern anklicken)

Spitalmühle

1945 ein Ort des Grauens: Spitalmühle um 1940
Quelle: Elsbeth Sieb

Geschichte von 1919 bis 19