Aichholzhof und Wüstung Aichholz:
Villa rustica, mittelalterlicher Weiler und württembergische Domäne

Die einst württembergische Domäne Aichholzhof auf der lössbedeckten Hochfläche westlich der Glems bewirtschaftete um 1900 über 100 Hektar (rund 350 Morgen); um 1850 waren es noch etwa 292 Morgen. Im 20. Jahrhundert wurde das Hofgut im Volksmund nach seinem letzten Pächter auch „Marstaller-Hof” oder noch immer „Katharinenhof” genannt: abgeleitet vom Esslinger Katharinenhospital, dem die Esslinger Spitalnonne Dorothea von Steig 1393 einen der Höfe im 1488 Dorf genannten „Aicholtz“ übertrug. 1396 erscheint in Grüningen ein Auberlin von Aycholtz und 1424 ein Merklin von Aycholz. Ob es sich bei ihrer Namensform um Ortsadel oder eine Herkunftsbezeichnung handelt, ist nicht geklärt.

1428 belehnte Graf Ludwig von Württemberg die Herren von Sachsenheim mit dem Zehnten in Aichholz, den sie 1459 samt einem Hofgut zu eigen bekamen. Nach dem Aussterben der Herren von Sachsenheim um 1550 fielen deren Rechte und Besitz wie das Gut des Katharinenspitals an das Haus Württemberg. Im Dreißigjährigen Krieg ist der Weiler vermutlich abgegangen. 1752 ist auf der Markgröninger Aussfeld-Karte noch eine Wüstung beim „Aicholtzer Bronn“ zu erkennen, die wohl auf einen zuvor schon bestehenden Gutshof zurückgeht. Den Standort des ehemaligen Weilers findet man vermutlich westlich vom Raiserhof bei den Kirchhofäckern in der Eichholzer Klinge unterhalb der „Aichholzer Weingard” (siehe Aussfeld-, Urflur- und Flurnamenkarte). Beide Standorte waren 1752 bereits der Gröninger Markung zugeschlagen und noch dem Hause Württemberg zinspflichtig. Wüst gefallen sind sie vermutlich während des Dreißigjährigen Krieges.

Dass der Weiler oder gemäß dem Gewannnamen „Kirchhof” gar das Kirchdorf Aichholz nicht beim heutigen Aichholzhof lag, belegt ein Lagerbuch-Eintrag von 1523: Marx Herer zinst aus zwei Morgen Acker „zu Eycholtz am Hochdorfer Weg” – statt am alten Vaihinger Weg.

Nordwestlich der gegen Ende des 18. Jahrhunderts eingerichteten Domäne belegen Grabungsfunde eine römische Villa rustica. Laut Karl Eduard Paulus wurden hier „namhafte Grundreste römischer Gebäude nebst vielen Bruchstücken von Heizröhren, Ziegeln, Gefässen theilweise von Siegelerde … ausgegraben. Um diese Stelle lief im Viereck eine Mauer, von der jede Seite etwa 160 Schritte lang ist. Auf dem nur einige 100 Schritte östlich von letzterer Stelle gelegenen Burgäckern wurden im Jahr 1853 mehrere interessante römische Gefässe von Bronce gefunden.”

Auf eine Römerstraße soll der von Grüningen durch die Domäne über den Pulverdinger Hof und unterhalb der Burg Dauseck nach Enzweihingen verlaufende „Alte Vaihinger Weg“ zurückgehen. Dieser alte Weg verlor bereits im 18. Jahrhundert durch eine Flurbereinigung und den Bau einer neuen „Chaussee“ zum „Gröninger Hochgericht“ an der heutigen Bundesstraße 10 seine ursprüngliche Bedeutung. Im 19. Jahrhundert  degradierte er zum Feldweg, der im Bereich des Hofs schießlich über Eck verlagert wurde.

Wüstung Aichholz

Aichholzhof und vermuteter Dorfstandort auf der Aussfeldkarte von 1752 (vergrößern)
Bild: Johann G. Raisch, Quelle: HStA Stuttgart

Wüstung Aichholz

Aichholzhof und vermuteter Dorfstandort auf der Flurkarte von 1832, Blatt NO 3801 und NO 3701
Quelle: StA Ludwigsburg (vergrößern)

Aichholzhof bei Markgröningen

Aichholzhof vom Standort des ehemaligen römischen Gutshofs im Nordwesten (2015)  Bild: Peter Fendrich

Jüngere Geschichte

Ab 1799 erwarb der Kameralverwalter Karl Amandus Friedrich Stockmaier weitere Grundstücke auf der Markgröninger Markung, insbesondere im „Aussfeld”, wo das Haus Württemberg bereits reich begütert war. In den Jahren 1811/12 wurden ein Wohnhaus mit Scheune und Stall errichtet. Der Stuttgarter „Stallinspector und Ober-Marstaller” Christian Speidel kaufte 1835 das Gut, um es nach einem Jahr an den Hohenheimer Professor Karl Pistorius weiterzuverkaufen. Dieser ließ von 1837 an weitere Gebäude auf dem Gut errichten: einen Stall, ein Backhaus und einen Getreidespeicher. Später wurde für die Landarbeiter, die großteils aus dem Schwäbischen Wald kamen, noch ein Gesindehaus gebaut.
1846 kaufte die Hofdomänenkammer als private Vermögensverwaltung des württembergi-schen Königshauses den Aichholzhof zum Preis von 40.000 Gulden von Pistorius zurück. Als erster Domänenpächter zog Johann Friedrich Josenhans aus Schwieberdingen mit seiner Gattin Christiane Friederike Deuschle aus Baltmannsweiler auf den Hof. Zwei ihrer Söhne wanderten nach Amerika aus, die anderen waren 1869 für eine Nachfolge zu jung. So übernahmen nach ihrer Hochzeit am 1. März 1870 Jakob Bayha und Luise Bässler aus Markgröningen den Hof als Domänenpächter. Die beiden schlossen sich der Hahnschen Gemeinschaft an und blieben bis 1900. Da ihr Sohn wegen einer unfallbedingten Behinderung als Nachfolger nicht in Betracht kam, wurden die Bayhas von Hans Marstaller aus Güglingen abgelöst, dessen Familie das einträgliche Gut bis zur Lösung des Pachtverhältnisses 1976 bewirtschaftete. Die Deutsche Bundesbahn hatte so viel Gelände der Domäne für die Schnellbahnstrecke von Mannheim nach Stuttgart beansprucht, dass eine weitere Verpachtung nicht mehr in Frage kam. 1977 verkaufte die Hofkammer deshalb ihre Grundstücke an die Deutsche Bundesbahn und die Landsiedlung Baden-Württemberg, die den „Marstallerhof” privatisierte.

Aichholzhof

Aichholzhof 2019 von der Hart  Bild: Peter Fendrich

Aichholzhof

Ehemaliges Gutshaus des Aichholzhofs um 1920
Quelle: David Zechmeister

Aichholzhof

Garben-Büschel beim Aichholzhof mit neuer Scheune um 1955
Bild: Rolf Hackenbruch

Aichholzhof

Wirtschaftsgebäude des Aichholzhofs 1975
Bild: Erich Wild