Jahreszahl 1580 (?) am rechten Tor des Kastens
Bild: Margarete David
Initialen von Fridericus Rex (König Friedrich) von 1808 am Türsturz des ehemaligen Nordportals
Bild: Peter Fendrich
LIteratur
Christa Hirthe: Geschichte der St.-Bartholomäus-Apotheke 1618 – 2001. In: 125 Jahre St.-Bartholomäus-Apotheke in Familienbesitz, S. 4-23, hg. v. Margarete David, Markgröningen 2001 [PDF]
Broschüre 125 Jahre St.-Bartholomäus-Apotheke in Familienbesitz
Hg.: Margarete David
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Im Zuge der 1534 eingeleiteten Reformation wurden kirchliche Besitzungen und Pfründen vom Herzog eingezogen und der Geistlichen Verwaltung unterstellt. Diese wurde neben der Rentkammer für die staatliche und der Hofkammer für die herzogliche Finanzverwaltung eingerichtet. Von den Einkünften aus den ehemals zur Bartholomäuskirche gehörenden Grundstücken hatte die Geistliche Verwaltung bzw. die „Heiligenpflege” die Kirche, Pfarr- und Pfründhäuser sowie die Schulen zu unterhalten und Pfarrer, Diakon und Lehrer zu besolden. Überschüsse mussten an den „Gemeinen Kirchenkasten“ abgeführt werden.
1712 kaufte der Kirchenrat das Anwesen mit dem 1609 erbauten Wohnhaus (heute Ostergasse 22) für die Geistliche Verwaltung als Amtsgebäude des Heiligenpflegers. Dazu gehörte ein laut einer Inschrift 1580 erstellter Fruchtkasten zur Einlagerung des noch großteils in Naturalien abgelieferten Zehnten. Im Zusammenhang mit den Kaufverhandlungen verfasste Baumeister Johann Ulrich Heim 1712 eine Grundstücksbeschreibung mit Grundriss, die er einem Schreiben an Herzog Eberhard Ludwig und an den Kirchenrat beilegte:
1) Befindet sich unter der Wohnbehaußung ein gewölbter Keller zu 80 Aymer Lager fassen, welcher aber gantz lehr, und nicht einiges Faß zugegen. 2) Der Erstere Stockh an solcher Behaussung stehet zu 4 Seit(en) mit einer steinern Stockmauren, lang 45 Schu, brait mit dem Vorschupf 36 Schu, hat einen grossen Ehren und bey Kellerlen neben zwey Kammern mit Riegel gemauert. 3) Der Zweyte oder Wohnstock hinden mit einer Feuer-Mauer, hat zwey Stuben, eine Cammer, Kueche, Öhren und daß s v (salva venia = mit Verlaub) Cloac. 4) Der Obere alß dritte Stock mit der Feu-Mauer hat widerumb eine Stub, drey Cammern, Küche, Öhren und s v Cloac. 5) Die Dachung mit einem steinern Giebel, zwey freye Böden, welche einer Seithen mit Blatten die andere aber mit Hohlziegel gedeckelt sind, belangent.
6) Die Scheuer ist dieselbe lang 78 Schu und hat zu 4 Seithen einen steinern 2 Schu dickhen costbahren Stockh, mit einem Bahren, zwey Thännen und zwey Stallungen. Mit der Stockhör 18 Schu und die Dachung mit Hohlziegeln bedeckt.
7) ist der Hoff vornen gegen der Tiefen Gasse (heutige Wettegasse) mit einer Hoffmauer und Thor zur Einfarth in Hoff, sambt einer einfachen Vieh und dreyer s v Schweinstallung versehen so dann 8) hat es einen Küchen-Garthen von 15 ¾ Ruthen groß.
Unerwähnt blieb in Heims Bericht von 1712 eine Besonderheit, die nicht nur das Wohnhaus in der Ostergasse noch heute aufweist, sondern auch andere Häuser in Markgröningen: Das Haus besitzt an der Südwestecke einen eigenen Ziehbrunnen mit Zugang vom Keller. Der Brunnen lieferte stets zuverlässig Wasser. Als der Vater der heutigen Besitzerin, Dr. Alfred David, einmal versucht hatte, den Brunnen leer zu pumpen, war er nach wenigen Stunden wieder voll gelaufen.
Baumeister Heim verwies auch auf notwendige Renovierungsarbeiten und schlug für die Scheuer vor, einen Stock daraufzusetzen, um einen Fruchtkasten zur „Auffhebung der herrschafftlichen Gefällfrüchten zu erhalten”.
Bei der 1759 erfolgten Renovierung des 1609 erstellten Amtsgebäudes wurde die Auskragung der Dachgeschosse zurückversetzt. Der Giebel wurde der damaligen Mode entsprechend auf Traufhöhe mit kurzen Friesen versehen.
1807 begann für das Haus ein neuer Abschnitt: Die königlich-württembergische Finanzverwaltung wurde reformiert: Die damalige staatliche Finanzbehörde, die Rentkammer, die Geistliche Verwaltung und die den landesherrlichen Privatbesitz verwaltende Hofkammer wurden zu lokalen Kameralämtern vereinigt. Das neu entstandene Cameralamt Markgröningen blieb bis 1819 in der Ostergasse 22. Die Initialen FR für „Fridericus Rex“ am ehemaligen Hauseingang weisen auf die königliche Behörde hin.
Laut Verordnung vom 7. bzw. 14. Juli 1807 wurde dem Kameralamt Markgröningen das Patrimonialamt Unterriexingen zugeteilt. Durch Verfügung vom 26. August 1813 erfolgte die Vereinigung des aufgehobenen Kameralamts Hohenasperg mit dem Kameralamt Markgröningen. Gemäß Erlass vom 6. Juni 1819 wurde das Kameralamt Markgröningen aufgelöst und dessen Bezirk großteils vom Kameralamt Ludwigsburg einverleibt. Die Amtsorte westlich der Glems wurden den Kameralämtern in Leonberg und Vaihingen zugeordnet: an das Kameralamt Leonberg: Hemmingen mit der Hagmühle, an das Kameralamt Vaihingen: Hochdorf, Oberriexingen, Unterriexingen und der Pulverdinger Hof.
Nach der Auflösung des Kameralamts wurden die nun freien Dienstgebäude an den Bauern Mattes Rugart veräußert, der sie alsbald an den Apotheker Friedrich Karl Unfried verkaufte. Unfried verlegte seine Apotheke von der Schlossgasse 2 hierher. Vermutlich war die erste, 1618 urkundlich in Grüningen nachgewiesene Apotheke von Johann Etzel bereits in der Schlossgasse eingerichtet worden. Nach dessen Tod 1635 war die Apotheke 200 Jahre in Händen der Familie Kerner, Vorfahren Unfrieds und des Dichters Justinus Kerner.
1876 verkaufte die Apotheker-Witwe Henriette Beck das Anwesen in der Ostergasse an Ottmar La Roche, der zuvor in Mönsheim ansässig war. Seither ist die „Sankt-Bartholomäus-Apotheke” bis heute im Familienbesitz verblieben. Inzwischen hat sie La Roches Urenkelin, die Apothekerin Margarete David, allerdings verpachtet.
Christa Hirthe (Ausschnitte)
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Einst Sitz des Heiligenpflegers, dann des Kameralamts, seither Apotheke (Ostergasse 22)
Bild: Peter Fendrich
Am Kameralamtskasten, auch Apothekerscheuer genannt, findet sich die Jahreszahl 1580
Bild: Peter Fendrich
Apotheke von Familie La Roche 1906 (Ausschnitt)
Bild: C. Limburger, Quelle: Margarete David
Transkript eines Grundrisses von 1851
Bild: Margarete David
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