Wappen und Initialen von Philipp Volland im Chor
Bild: Peter Fendrich
Spitalwappen von der Südwestecke des Ostflügels
Bild: Peter Fendrich
Nicht identifiziertes Wappen eines frühen Spitalmeisters
Bild: Landesdenkmalamt
Schlussstein mit Wappen von Spitalmeister Johannes Betz
Bild: Landesdenkmalamt
Spitalwappen von 1446 über dem verlagerten Kirchhoftor an der Spitalgasse
Bild: Peter Fendrich
Grundherrschaftliche Signatur auf der Aussfeld-Karte (1752)
Grenzstein mit Emblem des Spitals im Gewann Guckenhäuser
Bild: Peter Fendrich
Die einzige erhaltene Grabplatte eines Spitalmeisters findet sich im Chor der Bissinger Kilianskirche: für Friedrich Bender, genannt Doleator, gestorben 1490
Bild: Peter Fendrich
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Das Grüninger Heilig-Geist-Spital wurde vermutlich in den 1250er Jahren auf dem Gelände einer vormaligen Burg eingerichtet. Auf eine Burganlage deuten die teils erhaltene massive Westwand, ein unter der Betzgasse nachgewiesener Burggraben und die hier ansetzende Stadterweiterung hin. Von 1289 stammt eine Bezeichnung als Kloster. Am Palmsonntag 1297 weihte der Würzburger Weihbischof Bonifatius von Knin den Altar der Spitalkirche. Bis dahin könnte der heutige Spitalsaal, mit dem das Langhaus der Kirche verbunden wurde, als Andachtsraum gedient haben.
Der Spitalorden unterstand nicht dem Bischof der jeweiligen Diözese, sondern der päpstlichen Kurie. Hierarchisch war das Grüninger Spital anfangs dem Memminger und Wimpfener Spital und dann direkt dem im elsässischen Kloster Stephansfeld residierendem „oberalemannischen” (süddeutschen) Provinzialmeister des Ordens untergeordnet. Der Grüninger Spitalmeister war wiederum dem jüngeren Heilig-Geist-Spital in Pforzheim übergeordnet und konnte Einfluss auf die Einsetzung dessen Spitalmeisters nehmen.
Die Kast- und Schirmvogtei lag in Händen des Hauses Württemberg, das auch die Gründungsstiftung für sich reklamierte. Dabei muss sich Herzog Christoph auf die württembergischen Grafen Hartmann von Grüningen bezogen haben, in deren Händen sich die Stadt bis 1280 befand. Denn Lehen der Württemberger wurde die Stadt erst wieder 1336. Christophs Vorgänger nahmen wiederholt Einfluss auf das Spital und stärkten diesen in einem 1402 geschlossenen Vertrag, der Neuerwerbungen des Spitals steuerpflichtig machte. Zu Gast im Spital wurde Graf Ludwig I. von Württemberg-Urach in den Spitalrechnungen von 1444 bis 1449 ebenso wie der Provinzialmeister des Ordens als „unser Herr” tituliert. Als Schirm- und Kastvogt unterzog Graf Eberhard im Bart 1471 das schlecht wirtschaftende Heilig-Geist-Spital einer Revision und erließ eine neue Spitalordnung, die den Spitalmeister und seinen Kämmerer unter anderem zur Rechnungslegung beim herrschaftlichen Keller auf dem Asperg verpflichtete. Der landesherrliche Zugriff hatte für das Spital andererseits den Vorteil, dass es im Gegensatz zu anderen Spitälern des Ordens vor Kommunalisierungsbestrebungen geschützt war. Nachdem das von Markgraf Rudolf von Baden in der Pforzheimer Vorstadt gegründete Spital 1323 an den Heilig-Geist-Orden übergeben war, wurde dieses dem Grüninger Spital unterstellt.
Zu den ersten belegten Zustiftern zählten die Witwe Heinrichs von Lauffen (1313) und der in Asperg ansässige Burkhardt von Hagenau (1318). In der Auseinandersetzung mit Herzog Christoph um die 1552 vollzogene Säkularisierung des Spitals verwies Michel Volland auf bedeutende Stiftungen seiner Vorfahren. Das prominent im Chor der Spitalkirche angebrachte Wappen seines Großvaters Philipp Volland unterstreicht dessen Mäzenat.
Das Spital verfügte traditionell über lukrative Privilegien, weshalb Ludwig Heyd es als „päpstliches Schoßkind“ bezeichnete. Spitalmeister Johannes Betz stellte die Privilegien nach 1513 inklusive Belegen für deren Verleihung zusammen, konnte sie jedoch nicht mehr vollumfänglich durchsetzen:
- Exemption: weitgehende Unabhängigkeit und Steuerfreiheit gegenüber dem württembergischen Landesherrn und dem Bischof von Speyer.
- Beichtvollmacht: das heißt das Recht, überall die Beichte abzunehmen und Bußen aufzuerlegen bzw. Sünden zu vergeben.
- Petition: einerseits das Recht, überall und vorrangig zu predigen und das Opfer einzunehmen, andererseits die ungehinderte Almosensammlung in der Diözese Konstanz und im östlichen Teil der Diözese Speyer.
- Ablass: Gewährung einer zeitlich begrenzten Verschonung vor dem Fegefeuer für eine materielle Gegenleistung.
- Darüber hinaus hatte der Spital-Konvent in gewissen Fällen quasirichterliche Entscheidungskompetenzen, zum Beispiel für Vergleiche oder bei Vermächtnissen zugunsten der Kirche.
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Mit dem Reformtheologen und Grüninger Stadtpfarrer Reinhard Gaißer stritt Betz nicht nur um die Rangfolge bei Prozessionen, sondern auch um den Ablasshandel, den ihm Gaißer aus moralisch-ethischen Gründen und wegen mangelnder Rechtsgrundlage absprach. Letztlich mit Erfolg, weil der Mainzer Erzbischof Albrecht von Brandenburg diese Einkommensquelle exklusiv an sich zog. Vorgeblich um den Bau des Petersdoms in Rom zu unterstützen und nebenbei um seine Schuldenlast zu lindern. Bei Zuwiderhandlung drohte der Erzbischof 1517, die abgesandten Ordensbrüder aus Stephansfeld und Grüningen in Haft zu nehmen. Im Sinne Gaißers kritisierte Sebastian Frank in seiner 1531 erstellten Chronik das Gebaren der Ordensbrüder: „Sind große Herren und führen vom Bettel eine große Pracht in Gröningen.“ Zu ihren Einnahmequellen zählten neben Ablasshandel, Bettel und Opferstöcken die Einzahlungen von Pfründnern, der in Naturalien abzuliefernde Zehnte von Äckern, Wiesen und Weinbergen, Erlöse aus dem Verkauf von Überschüssen an Wein und Getreide, die Zinsen von spitaleigenen Grundstücken, die bebaut waren oder als Garten genutzt wurden, und auch Zinseinnahmen aus Kreditvergaben. Die Spitalmühle im Glemstal und die Ziegelei an der Vaihinger Steige erbrachten Pachteinnahmen. Die von 1444 bis 1449 überlieferten Spitalrechnungen weisen Einkünfte von 26 verschiedenen Orten aus, insbesondere von Bissingen, Bietigheim und Remmingen. Der Zehnte von Enzweihingen war derzeit als „Leibgeding” vergeben und erbrachte deshalb keine Einnahmen.
Zum Personalstamm zählten neben dem Spitalmeister bis zu zwölf Ordensbrüder und – sofern nicht Brüder dahin abgeordnet waren – die Pfarrer der inkorporierten Kirchen; außerdem ein Gesinde von etwa zehn Knechten und Mägden. Zeitweise hatte das Spital auch einen eigenen „Pfister“, der neben Brüdern und Gesinde auch die Pfründner, Herbergsgäste und „Siechen” mit Brot versorgte. In mehreren auswärtigen Widumhöfen waren dem Spitalmeister „Schaffner” genannte Verwalter zu Diensten. In Erntezeiten oder für Bautätigkeiten wurden auch Tagelöhner hinzugezogen.
Ab 1507 stellte Spitalmeister Johannes Betz das Heilig-Geist-Spital neu auf. Er ließ das Areal unterstützt durch den reichen Kaufmann und Vogt Philipp Volland grundlegend umbauen und gab dem Gebäudekomplex die bis 1967 erhaltene Gestalt: Anstelle von Vorgängerbauten ließ Betz das über 40 Meter lange und vier Vollgeschosse umfassende Pfründhaus mit einem großen Keller erstellen. Es wurde verbunden mit dem Ordenshaus, von dem der sogenannte Spitalsaal und die massive Westmauer bestehen blieben, und einer Meierei mit Marstall (1488 erstellt) an der Westflanke. Ein „Heuhaus” an der Nordflanke und ein „Waschhaus” an der Ostflanke schlossen den Wirtschaftshof ein. Diesen trennte eine Mauer mit einem 1466 erstellten und heute an die Spitalgasse verlegten Tor vom Kirchhof. Jenseits der Betzgasse ließ Betz einen Fruchtkasten mit Durchfahrt erstellen. Dessen Erdgeschoss dürfte als Kelter gedient haben. Westlich vom Spitalgarten bestand zudem eine große, 1912 durch Brand abgegangene Scheuer, über deren Bauzeit keine Informationen vorliegen. Der Bau des erhaltenen Kirchturms und die Renovierung des Chors können wiederum Spitalmeister Betz zugeschrieben werden. Die Wappen und Initialen von Betz und Volland sind im Chor prominent herausgestellt.
Entlang der Südflanke im Kirchhof entdeckte Fundamente kleinerer Gebäude stammen vermutlich aus früherer Zeit. An der Nordflanke des 1801 abgerissenen Kirchenschiffs könnte ein Kreuzgang bestanden haben. Darauf deuten ein gotischer Bogenansatz an der Nordostecke des Spitalsaals, eine in Plänen überlieferte quadratische Einfriedung (siehe Stadtplan-Ausschnitt) und ein ehemaliger Brunnen in diesem Bereich hin. Auch die schlanken runden Säulenfragmente, die heute in eben diesem Bereich aufgestellt sind, könnten von einem Kreuzgang stammen.
Den im Wirtschaftshof angesiedelten spitaleigenen Betrieb bewirtschaftete zumindest in späterer Zeit ein Meier. Eine Ziegelei an der Vaihinger Steige und die Spitalmühle im Glemstal wurden in der Regel verpachtet. Im „äußeren Spital” außerhalb der Stadtmauer befand sich zudem die zum Spital gehörende Leonhardskapelle, die vermutlich für die Siechen mit ansteckenden Krankheiten bzw. Aussätzige erstellt worden war. Diese sollen in einem gesonderten Friedhof im Zwickel zwischen Vaihinger Steige und Schillerstraße bestattet worden sein.
1552 wurde das Heilig-Geist-Spital endgültig säkularisiert. Allerdings ging es nicht in den Besitz der Landeskirche über, sondern verblieb nach Intervention von Philipp Vollands Nachfahren bei der Stadt. Von nun an verwaltete es ein von der Stadt bestellter Hospitalverwalter unter herzoglicher Aufsicht. Die auswärtigen Kirchenpatronate des Gröninger Spitals zog Herzog Christoph an sich: Seit dem frühen 15. Jahrhundert hatte das Spital Zugriff auf die Albanikirche in Mühlhausen an der Enz, die Jakobskirche in Remmigheim bzw. Remmingen, die Kilianskirche in Bissingen und die Peterskirche in Bietigheim gehabt.
Da es auf vielen Grenzsteinen auf ihrer Markung zu sehen war, übernahmen Hochdorf und Bissingen das Spitalkreuz als Fleckenzeichen und Ortswappen. Seit der Fusion von Bietigheim und Bissingen ist es auch Bestandteil des Stadtwappens von Bietigheim-Bissingen.
Auch in städtischer Hand führte das Spital noch das Patriarchenkreuz des Spitalordens im Wappen und auf Grenzsteinen zur Kennzeichnung des Spitalbesitzes, dessen Größenordnung auf der „Aussfeld-Karte“ von 1752 ersichtlich wird.
Im 18. und 19. Jahrhundert war das Pfründhaus ein städtisches Armenhaus, das weiterhin aus den Erträgen des Spitalbesitzes finanziert wurde. Das baufällige Langhaus des nicht mehr benötigten Sakralbaus wurde 1801 auf Abriss verkauft. Chor und Turm aus späterer Bauzeit blieben erhalten. 1892 wurde die Spitalstiftung aufgelöst. Die Stadt führte aber weiterhin einen vom städtischen getrennten Haushalt, bis sie die Stelle des Spitalverwalters während der großen Inflation 1923 abschaffte.
1954 schenkte die Stadt den vorwiegend aus ehemaligen Ostgebieten zugezogenen Katholiken die Relikte der Spitalkirche. Sie wurde nach der Sanierung durch einen Anbau ergänzt, 1957 wieder geweiht und 1982 durch einen größeren Neubau aufgewertet. Die ursprüngliche Kubatur des Langhauses wurde dabei allerdings nur in Ansätzen aufgenommen.
Ab 1967 ließ die Stadt die Wirtschaftsgebäude am Ost-, Nord- und Westflügel abreißen und erstellte entlang der Ost- und Nordflanke einen Wohnblock. Um 1978 wurde das Pfründhaus teils abgetragen, teils entkernt und wieder aufgebaut. Über der stehengebliebenen massiven Mauer des ehemaligen Westflügels wurde das Katholische Gemeindezentrum errichtet. Neuerdings wurde ein Teil des Spitalgartens überbaut. Die überdimensionierte Kubatur des Investorenbaus, der von der Schillerstraße über den ehemaligen Zwinger bis zur Betzgasse reicht, greift empfindlich in das Ensemble ein und verdeckt den Blick auf das Spitalareal von Südwesten.
Peter Fendrich
- Arnold (1306), noch unter Memminger Aufsicht
- Hermann (1317)
- Heinrich (1323), Beauftragter bei der Übergabe des Pforzheimer Spitals, zuvor Spitalmeister zu Wimpfen und Grüningen
- Hartmann (1347)
- Conrad Kasch (1396)
- Siegfried Metzler (1402, 1411)
- Heinrich von Hemmingen (1417–1427, 1429)
- Friedrich Binder aus Grüningen (1440)
- Friedrich aus Pforzheim (1444)
- Ein namentlich nicht genannter Vetter des reichen Heinrich Volland (1445)
- Johann Gleser (1461), 1460 Provinzialmeister in Stephansfeld
- Friederich Bender, Doleator genannt, (1478–1482), bestattet 1490 in der Kilianskirche
- Alexander Vetter (1484–1490)
- Michael Fischer aus Oberriexingen (1492–1499)
- Johannes Betz, Ursinus (der Bär) genannt (1507–1532), stellte das Spital neu auf
- Johannes Schanz (1532–1543)
Literatur
Klaus Militzer: Das Markgröninger Heilig-Geist-Spital im Mittelalter. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des 15. Jahrhunderts. Sigmaringen: Jan Thorbecke, 1975 (erhältlich im Büchershop des AGD)
Heinz Oechsner: Die Gebäude des Heilig-Geist-Spitals Markgröningen. In: Durch die Stadtbrille, Band 7, S. 95-105, Markgröningen 2002. PDF
Heinz Oechsner: Die Kirche des Spitals zum Heiligen Geist in Markgröningen. In: Durch die Stadtbrille, Band 7, S. 107-123, Markgröningen 2002. PDF
Siehe auch:
Galerie zum Heilig-Geist-Spital
Artikel zur Heilig-Geist-Kirche
Artikel zum jüngsten Denkmalfrevel am Spital
Einträge in Deutsche Inschriften
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Über dem Wappen von Spitalmeister Johannes Betz von 1512 sind zwei übergeordnete Instanzen repräsentiert: neben dem Herzog von Württemberg erwartet man den Provinzialmeister des Ordens: Von 1509 bis 1513 war das Conrad Kleeberger. von dem noch kein Wappen gefunden wurde. Das hier abgebildete Wappen entspricht exakt dem der Stebenhaber von Memmingen
Bild: Peter Fendrich
Spitalkomplex um 1965 von Nordosten, bevor die Wirtschaftsgebäude abgerissen wurden
Bild: Grüninger, Wikimedia
Spitalkomplex um 1966 von Südsüdwest
Bild: Eduard Haidle
Spitalareal aus dem retuschierten Stadtplan von 1886. Die Spitalscheuer links brannte 1912 ab. Die Gebäude um den Wirtschaftshof wurden ab 1967 abgerissen
Bild: P. Fendrich, Quelle: Stadtarchiv
Modell des Heilig-Geist-Spitals von Heinz Oechsner (1998). Blickrichtung von Südosten
Bild: David Zechmeister
Pfründhaus und Westflügel um 1960 vom Benzberg
Bild: Erhard Lenk
1967 abgerissener Westflügel von Norden
Bildautor unbekannt, Quelle: AGD
Nord- und Ostflügel um 1960 von Südwesten
Bild: Landesdenkmalamt
Mauerrelikte des Westflügels und der Fruchtkasten um 1970 von Osten
Bild: Eduard Haidle
Bei der neuen Bebauung wurde keine Rücksicht auf das Erscheinungsbild des bisherigen Ensembles genommen
Bild: Peter Fendrich
Heilig-Geist-Kirche mit dem Neubau von 1982 von Südosten (2013)
Bild: MSeses, Wikimedia
Diese Ansicht von Südwesten ging durch das Investorenprojekt Unteres Tor verloren. Teile des Spitalgartens und des Zwingers wurden dabei überbaut
Bild: Peter Fendrich, 3/2016
Rossmann-Komplex kurz vor der Fertigstellung
Bild: Peter Fendrich, 10/2017
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