Kruzifixus aus dem 12. Jh. im Triumphbogen, 1891aus Ertingen überliefert Nische für eine Heiligenstele (vermutl. Maria) mit Wappen-Konsole der Stifter, der Herren von Riexingen Der königlich-württ. Kammerherr Gerhard Leutrum von Ertingen († 1922) wurde 1884 in den erblichen Grafenstand erhoben Wappen und Wahlspruch von Gerhard Graf Leutrum von Ertingen an der für seine Familie reservierten Empore Frauenkirche Unterriexingen
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Frauenkirche bei Unterriexingen Pfarrkirche, Wallfahrtsort, Grablege des Ortsadels und Friedhofskapelle Einst fernab von Dorf und Burg Unterriexingen steht die Frauenkirche auf einem zur Ortslage abfallenden Höhenrücken zwischen Glems- und Enztal unterhalb der Waldspitze des Muckenschupfs. Möglicherweise diente sie auch dem abgegangenen Pulverdingen als Pfarrkirche und wurde deshalb so weit außerhalb von Unterriexingen erstellt. Die ursprünglich wohl romanische Saalkirche mit vormals freistehendem Wehrturm im Westen hat im Osten einen jüngeren gotischen Chor mit 5/8-Schluss und Kreuzrippengewölbe. Der Turm hat unten eine Wandstärke von 2,5 Metern und misst bis zur Spitze seines Zeltdaches 25 Meter. Die etwa 38 Meter lange Kirche hat eine auffällige Ostabweichung von ca. 35 Grad nach Norden. Ungeachtet eines möglichen Vorgängerbaus datierte Gerhard Graf Leutrum von Ertingen die Frauenkirche ins 13. Jahrhundert. Im 14. Jahrhundert wurde sie erweitert. Dabei ließen die Herren von Riexingen das Langhaus vergrößern und an der Südfassade mit Strebepfeilern für ein nicht realisiertes Gewölbe versehen. Vermutlich anstelle einer Apsis wurde im Osten der etwas erhöhte Chor angefügt. Die Kapelle bzw. Sakristei zwischen zwei Strebepfeilern der Südwand des Chors wurde erst um 1500 ergänzt. Darunter wurde ein Beinhaus eingerichtet. Bis zum Ausbau der Kapelle im Dorf um 1628 diente die Frauenkirche als Pfarrkirche, danach in erster Linie als Grablege der ortsansässigen Adelsgeschlechter und als Aussegnungskapelle für den umliegenden Friedhof. Gottesdienste wurden nur noch selten abgehalten. Die einst mitten im Chor gelegene Grabplatte für Friedrich Osterbronn von Riexingen († 1394) ist das älteste erhaltene Epitaph in der Frauenkirche. Dieses gilt neben einer Heiligen-Nische mit Stifter-Wappen als Indiz dafür, dass das Adelsgeschlecht von Riexingen, das mit Heinrich von Riexingen 1379 auch den ersten bekannten Kirchherrn stellte, die Kirche erbauen ließ. Die heutige Bezeichnung als Frauenkirche geht zurück auf das Patrozinium Unserer Lieben Frau. Bis zur Reformation soll die im Volksmund auch „s‘Käppele“ genannte Kirche außerdem der Wallfahrt gedient haben. Die Innenwände des nahezu fensterlosen Saalbaus waren mit Fresken versehen, die vor allem Szenen des Jüngsten Gerichts darstellten. Daneben befanden sich in der Kirche mehrere Altäre wie ein vergoldeter Altar Unserer Lieben Frau (Maria) und einer zur Heiligen Dreifaltigkeit (Trinitatis). Im Spanischen Erbfolgekrieg erlitt die Kirche 1693 größere Schäden durch Kanonenbeschuss. Bei ihrem Abzug ließen die französischen Truppen die Glocken beider Kirchen mitgehen. Ein Blitzeinschlag setzte 1694 zudem das Turm- und Kirchendach der Frauenkirche in Brand. Die nunmehr Sperbersecker Ortsherrschaft ließ die Schäden an den Dächern nur notdürftig reparieren. Auf einem Panorama von Markgröningen ist die „Unter Riexinger Todten Kirch“ 1797 zwar noch mit Dächern zu sehen. Carl Urban Keller und andere Maler zeichneten sie ab 1815 jedoch als Ruine ohne Dach. Auf der Urflurkarte von 1832 ist sie als Ruine eingetragen. Nach zähem Ringen erwarb der Riexinger Schlossherr Gerhard Leutrum von Ertingen 1875 die Kirche von der Gemeinde, die sich die Kirche 1774 angeeignet hatte. Leutrum wollte sie im Sinne seiner Vorgänger wieder in Stand setzen und die zahlreichen Epitaphien der verschiedenen Ortsadeligen sichern. Außerdem ließ er eine Familiengruft für die Leutrum von Ertingen anlegen. Bei der Restauration stand ihm der prominente Baumeister August Beyer zur Seite. Obwohl wieder eine Holzdecke eingezogen wurde, ließ Beyer aus ästhetischen Gründen auch an der Nordwand des Langhauses Strebepfeiler errichten. Der oktogonale Turmhelm wurde wiederhergestellt, mit vier gotischen Schallfenstern beim Glockenstuhl und einem spitzen Zeltdach versehen. Im Innern des neu gedeckten Langhauses blieb der romantische Ruinencharakter der Kirche durch den weitgehenden Verzicht auf Putz erhalten. Verputzt und bemalt wurde lediglich die Ostwand um den Triumphbogen. An der Westwand des Langhauses wurde eine Empore eingebaut und mit einem Zugang vom Turm versehen. Die Fenster des durch eine vergitterte Chorschranke abgeteilten Chors wurden neogotisch verglast, sein Kreuzrippengewölbe wurde neu verputzt und mit Blumenmustern ausgemalt. Die zwischen zwei Strebepfeilern errichtete Sakristei an der Südwand des Chors erhielt innen ein holzverschaltes Tonnengewölbe. Der Treppenturm an der Nordwand des Chors wurde geschlossen. Atypisch und den Gesamteindruck verfälschend ist die geringere Neigung des neuen Chordachs, was dazu führte, dass der First des Chors seither niedriger als der des Langhauses ist, obwohl die Chorwände höher sind. Um den Altarraum aufzuhellen, wurde an der Südwand ein rechteckiges Fenster über einem vorhandenen eingesetzt. 1891 ließ der 1884 in den Grafenstand erhobene Gerhard Leutrum von Ertingen einen romanischen Kruzifixus aus dem 12. Jahrhundert vom Stammsitz seiner Familie nach Unterriexingen bringen, um ihn im Triumphbogen der Frauenkirche aufzuhängen. Seit ihrer Wiederherstellung dient die als Grablege seines Geschlechts vorgesehene Kirche für Beerdigungsgottesdienste der Gemeinde, die für die Pflege der Außenanlagen zuständig ist. Von 1999 bis 2003 ließ der Besitzer Karl Magnus Graf Leutrum von Ertingen die Kirche von Architekt Gerhard Schmid erneut restaurieren. Auch um die steinernen Epitaphien vor Substanzverlust durch aufsteigende Feuchtigkeit bzw. Versalzung zu bewahren. Im Zuge der Anlage einer Drainage wurde das bereits 1980 erhöhte Bodenniveau rund um die Außenmauern um eine weitere Treppenstufe angehoben. Es liegt nun deutlich höher als in der Kirche, sichtbar am Südportal und am nahezu verfüllten Portal zum Beinhaus unter der Sakristei. Trotz dieses von der Stadt zu verantwortenden Schönheitsfehlers erhielt der Bauherr für die vorbildliche Restaurierung 2004 den Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg. Von 2003 bis 2006 untersuchte und restaurierte das Landesamt für Denkmalpflege das romanische Triumphkreuz im Auftrag des Eigentümers. Bis 2007 wurde der Kruzifxus im Württembergischen Landesmuseum ausgestellt und danach wieder im Triumphbogen der Frauenkirche aufgehängt. Die Sachgesamtheit aus der Kirche und dem eingefriedeten Teil des Friedhofs steht unter Denkmalschutz (§ 28). Chor und Sakristei, Turm und Empore sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
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Ruine um 1815 von Carl Urban Keller Frauenkirche von Süden gesehen. Einst Pfarr- und Wallfahrtskirche, heute Friedhofskapelle und Grablege der Familie Leutrum von Ertingen An der Nordwand hat das Langhaus nur ein Fenster 1891 erstellte Westempore mit Grafenwappen Einblick vom Südportal Epitaphe entlang der Nord- und Südwand – auf Steinsockeln vor Vernässung geschützt
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