Rathausuhr und Wappen von Land und Stadt (um 1600) Herzog Eberhard im Bart mit Reichssturmfahne 1495 König Ferdinands Wappen von 1533 in einem Fenster des Gerichtssaals Medaillons mit Gröninger Wappen, Justitia und Württemberger Wappen an der Decke des Gerichtssaals
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Das Markgröninger Rathaus Das Rathaus wurde 1441 als Kaufhalle, Rats- und Gerichtsgebäude erstellt. Seine Größe und bauliche Qualität spiegeln den „Zweiten Frühling“ der Amtstadt Grüningen wider. Wer ihm erstmals begegnet, ist nicht selten ergriffen. Man steht vor einem Fachwerkbau, dessen besonderer Stil sich eindrucksvoll verdeutlicht und die ihm eigene Schönheit schlagartig offenbart. Zur Ästhetik des Hauses gesellt sich eine Monumentalität, die das Staunen befördert. Fotogrammetrische Messungen in den 1960er Jahren weisen dem Bauwerk respektable Werte aus: Die Breite beträgt im Grundriss zwischen 15,46 m und 15,47 m, die Länge zwischen 24,93 m und 24,96 m und die Höhe des Gebäudes misst je nach Firstpunkt zwischen 26,24 m und 26,41 m. Von den zahllosen Belegen der Bewunderung, die sich über Jahrhunderte hinweg in der historischen Literatur ansammelten, seien nur zwei genannt. Der älteste aus dem Jahr 1529 und aus Straßburg stammende lautet: „…ein rathuß von holtz gemacht, desgleichen nit wol funden wurt.“ Im Jahr 1920 war unter dem Titel Württembergische Fachwerkhäuser in einer namhaften Zeitung zu lesen: „Es ist ein wundervoller und imponierender Bau von auffallend harmonischer Gestaltung und monumentaler Wirkung und zählt ohne Zweifel zu den schönsten Fachwerkhäusern in Deutschland.“ Das exakte Alter des Fachwerkhauses blieb über Jahrhunderte verborgen. Zwar ließ sich vom Baustil her das 15. Jahrhundert als Baubeginn eindeutig fest machen. Wer es genauer wissen wollte, konnte ein aus dem Gebälk des Hauses geschnitztes Wappen heranziehen. Es zeigt noch die drei Hirschstangen, den ältesten heraldischen Ausweis der Grafschaft Württemberg. Dieser wurde nach dem Anschluss von Mömpelgard um das Jahr 1444 abgelöst von einem neuen Wappen, das aus zwei Bildern besteht. Es vereint in vier Feldern die Hirschstangen mit den Mömpelgarder Barben und galt zunächst nur für den Uracher Landesteil, dem Markgröningen angehörte. Weil das Rathaus das neue Wappen nicht kennt, muss es vor 1444 entstanden sein. Die unumstößliche Exaktheit in der Altersbestimmung erbrachte im Jahr 1984 eine dendrochronologische Untersuchung der Universität Hohenheim im Auftrag der Stadt. Vier Bohrkerne wiesen übereinstimmend den Winter 1440/41 als erstes Fälldatum der Eichen und damit den Baubeginn fürs Jahr 1441 aus. Die moderne Fachwerkforschung ist von den vertrauten früheren Bezeichnungen alemannisch und fränkisch abgekommen und wählt für das Markgröninger Bauwerk und stilgleiche Beispiele raumbezogen heute den Begriff oberdeutsch. Artbezogen in gleicher Weise verschwunden ist der „Schwäbische Mann“, ihn ersetzt die neutrale Bezeichnung „Mannfigur“. Zeitlich gesehen entstand das Rathaus in der Hoch- und Endphase des mittelalterlich oberdeutschen Stils. Den spätgotischen Idealen entsprechend, ragt der Ostgiebel mit der schmückenden Krüppelwalm steil in die Höhe, findet allerdings über drei Stockwerke hinweg einen eindrücklichen Ausgleich durch das harmonisierende Hervortreten der horizontalen Elemente. In Stockwerkschritten erbaut, fallen die durch einen Unterzug verstärkten mächtigen Rähmbalken ins Auge. Auf ihnen lagern Balkenköpfe, die der Horizontalen eine reizvolle Gliederung verleihen. Diesem Baustil in herausragender Weise eigen ist die Verblattung. Sie zeigt sich besonders deutlich an den Mannfiguren. Die den mächtigen Ständern Halt spendenden, von diesen abgespreizt erscheinenden Büge erinnern an Arme und Beine. Sie sind in die Säulen nicht eingezapft sondern ihnen angeblattet. Das Blatt erhält seinen festen Sitz in der Blattsasse durch „Holznägel“, die in feiner Weise das Gesamtbild des Fachwerks prägen. Professor Erwin Rohrberg von der damaligen Staatsbauschule Stuttgart, der die oben erwähnte fotogrammetrische Messung leitete, unterschied die Baukultur des Mittelalters von der heutigen, indem er feststellte, dass damals für alle Künste ein umfassendes harmonisches Ordnungsprinzip verbindlich galt und zum Bauen eine Maßordnung gehörte wie zur Sprache die Grammatik und zur Musik die Harmonielehre. Demnach entsteht das beim Betrachten des Rathauses oft ausgelöste Harmonieempfinden nicht zufällig, sondern erscheint als Produkt einer besonderen Maßordnung. Nach Rohrberg ist es das gleichseitige Dreieck, die Triangel, nach welcher sich beim Rathaus alle Bemessung richtet. Vom Bauherren festgelegt wurde allein das Maß für die lichte Breite des Hauses, hier 50 Fuß = 50 mal 28,8 cm = 14,4 m. Dieses Maß wird zur Seitenlänge der Triangel, welche zweimal hintereinander gelegt, die Länge des Bauwerks ergibt. Dessen tatsächliche Grundrisslänge entsteht durch Zufügung der beiden Breiten der Eckständer (2 mal 53 cm) zur Seitenlänge der zweiten Triangel (15,46 m), die zweimal aufeinander stehend auch die Haushöhe ergibt. Alle mittels der Triangulation errechneten Werte stimmen in großer Genauigkeit mit den tatsächlichen Messwerten überein, wobei für die Haushöhe die zweimalige Anhebung des Marktplatzes im Zuge von Asphaltierung und Pflasterung sowie der natürliche Vorgang des Schwindens einzurechnen sind. Die heutige Bezeichnung Rathaus widerspiegelt die spätmittelalterliche Zweckstellung nur zum Teil, denn zwei Stockwerke dienten als Verkaufshallen: für Brot, Fleisch und Salz im Erdgeschoss, meist für Wollwaren im ersten Obergeschoss. Die letzten Drittel der beiden ersten Geschosse waren Magazine, die auch der Geräteaufbewahrung dienten. Das zweite Obergeschoss enthielt neben den Verwaltungs- und Gerichtszimmern eine freie Fläche, die auch zum Tanzen verlockte. So lässt sich die erstmalige Zweckstellung des Baus viergeteilt sehen. Das Haus diente dem Handel und Wandel, es beherbergte die Verwaltung der Bürgerschaft, es war Ort des Gerichts und bot zumindest einer Oberschicht Raum zum Vergnügen. Im heutigen Sprachgebrauch würde man das stolze Gebäude als multifunktionales Bürgerzentrum bezeichnen. Umbauten und Renovierungen In seiner fast 600-jährigen Geschichte hat das Rathaus baulich viele Veränderungen erfahren, die ihm nicht immer zum Nutzen gereichten. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts brachte die Renaissance das über Eck stehende, die Firsthöhe überragende Glockentürmchen ein. Die Glocke wurde 1614 gegossen. Die sich mitdrehende Kugel der astronomischen Uhr zeigt die Mondphasen an. Zwei Widder unter den beiden Zifferblättern stoßen sich zur vollen Stunde mit den Hörnern. Darunter vollenden die Wappen des Herzogtums Württemberg und des Amts Grüningen den Zierrat der Renaissance, der zweifellos den ästhetischen Reiz des Hauses erhöht. Eine dem Haus nicht eindeutig dienliche Veränderung stammt aus der Zeit des Barock: Im zweiten Obergeschoss wurden 1755 die der Verwaltung und dem Gericht gewidmeten beiden Zimmer unter massivem Eingriff in die konstruktive Fachwerksubstanz mit vergrößerten Fenstern und zudem mit Stuckdecken versehen. Im größeren sind drei bunte, den Zweck des Raums erklärende Medaillons an der Decke bis heute erhalten: eine Justitia flankiert von den Wappen Württembergs und der Amtsstadt. Dem kleineren, ehemaligen Zimmer des Stadtschreibers, dem heutigem Trauzimmer, wurde der Stuckschmuck 1991 wieder genommen und durch die ursprünglich eingebaute Bohlenwand und eine ebenso ursprüngliche hölzerne Gewölbedecke ersetzt. Im 19. Jahrhundert unterzog man das Rathaus mannigfachen Baumaßnahmen, die teilweise die Ursprünglichkeit des Bauwerks verfälschten und wieder zurückgenommen wurden. 1862 verlor die Kaufhalle im 1. Obergeschoss ihre Funktion. Dort schuf man an der Ostseite neue Amtszimmer, eines davon für den Bürgermeister, nachdem die Fensteröffnungen hier erstmals verglast worden waren. Eine breite Innentreppe ersetzte die zum 1. Obergeschoss führende Außentreppe an der Südfassade. An der Nordwestecke des Hauses riss man den ihm ursprünglich nicht eigenen Küchenanbau ab. Ein Austritt mit Baldachin, ein Doppelportal mit ornamentierten Rundbögen, die mit Maßwerk in Rundbögen versehenen Fenster auf der Ostseite, ein mittig über das Doppelportal gelegter gusseiserner Balkon wurden eingebaut und wieder entfernt und die Anzahl der Südseitenfenster von fünf auf vier verkleinert, rasch wieder auf fünf verbracht, um sie von 1890 bis zur Generalsanierung um 1930 wieder bei vier zu belassen. Diese meist im 19. Jahrhundert vollführten, oft widersprüchlichen Veränderungen verraten Kümmernis und Unsicherheit, welche das alte Gebäude den Markgröningern damals bereitete. Dass es stets an Geld mangelte, erweist sich im Nachhinein als Glücksfall. Wäre das großzügige Vorhaben zur Umgestaltung, das der Ludwigsburger Bauinspektor Nieffer im Jahr 1848 einbrachte, zur Durchführung gelangt, hätte das Bauwerk seinen mittelalterlichen Charakter weitgehend verloren. LIteratur Galerie Rathaus Markgröningen
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Das monumentale Rathaus wurde 1441 als Kaufhalle, Rats- und Gerichtsgebäude erstellt Eines der ersten Fotos vom Rathaus: um 1900 mit Feuerwehrmagazin, Doppelportal und Balkon Rathaus-Rückseite von Südwesten vor 1930 Halle mit Treppenaufgang im Erdgeschoss Stuckdecke mit Medaillons im Gerichtssaal: die Justitia flankiert von Landes- und Stadtwappen Das Modell im Museum hebt das Konstruktions_ prinzip mit dem „Schwäbische Mann” hervor Nieffers Bauaufnahme von 1848: an der Südfassade mit einer überdachten Außentreppe, zweitem Portal und Kellerzugang, an der Ostfassade mit einfachem Portal, Verkündbalkon mit Baldachin und zusätzlicher Tür neben der Arrestzelle |