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Marktplatz 2 1832

Anwesen Marktplatz 2 mit Scheune (gelb), Garten (grün) und Schlossgasse 1 (rot) auf der Flurkarte von 1832
Bild: P. Fendrich, Quelle: Staatl. Hochbauamt Bietigheim

Herrenküferei 1866

Marktplatz 2 vor dem Umbau zur Gastwirtschaft (Ausschnitt)
Bild: Mauch & Kunz vor 1866

Grundriss 1879

Grundriss bis 1879 mit Toren nach Süden und Osten und Durchfahrt zur Scheune
Quelle: Stadtarciv MG

Marktplatz 2

Gasthaus „zum Kronprinzen” 1903
Quelle: H. Hermann  (Ausschnitt)

Bauopfer Herrenküferei

Die mumifizierte Katze wurde im Zwischenboden gefunden. Sie diente als Bauopfer
Bild: Hilde Fendrich

Literatur:
Schad, Petra: Vom Ratstüble zur Herrenküferei … In: Durch die Stadtbrille 8, S. 59-76 [PDF]

„Herrenküferei”
Marktplatz 2: Volland und Wimpelin, Metzger, Küfer und Gastronomen

Laut dendrochronologischem Befund stammen die ältesten Hölzer des giebelständigen Gebäudes mit Krüppelwalm von 1414. Damit ist es das älteste erhaltene Haus am Marktplatz, gefolgt von Krone und Rathaus. Bauherr war vermutlich ein Mitglied der Familie Volland, denn ein „Folland“ wurde bereits 1402 im Lagerbuch des Esslinger Katharinenspitals als Nachbar dessen zinspflichtigen Hauses auf dem Grundstück Schlossgasse 1 genannt. Auf einen Vorgängerbau weist laut Bauforscher Johannes Gromer (1986) außerdem ein Teil der Kelleranlage hin.
1448 wurde ein „Feder Jörg“ als Besitzer genannt, der vermutlich Federer von Beruf war und identisch mit dem in der Steuerliste von 1448 aufgeführten Jörg Volland sein könnte. 1474 war das Anwesen im Besitz von Conrat Volland. 1523 hatte es Conrat Sommerhart, Angehöriger des Gerichts mit reichlich Grundbesitz und möglicherweise ein Enkel von Conrat Volland.
Die große Scheuer hinterm Ratstüble wurde laut Hermann Römer bereits 1401 erwähnt und sei ursprünglich ein städtischer Fruchtkasten gewesen. Die Scheuer hatte große Fenster mit Gewänden aus Sandstein, was dazu passen würde. In den 1950er Jahren wurde sie ohne Dokumentation abgerissen. Bislang verfügt der AGD nür über deren Grundriss (1. Bild links) und ein Foto, auf dem sie teilweise zu sehen ist (2. Bild rechts). Ihre Kubatur erinnert an die Scheuer im Turmgässle (heute Begegnungsstätte), die zu Ostergasse 1 gehörte.

Metzgerei

1573 war das Anwesen im Besitz von Burkhart Wimpelin, Metzger und Bürgermeister. 1604 errichtete sein Enkel Jakob Wimpelin (Initialen IV und Jahreszahl an der ehemaligen Nordost-Ecke des Hauses) den Anbau über der Durchfahrt zur rückwärtigen Scheuer. Über das heute offene Rathausgässle war wegen des Rathausanbaus keine Durchfahrt möglich (1. Bild links). Im Erdgeschoss war ursprünglich eine zum Marktplatz offene Verkaufslaube untergebracht, die in späterer Zeit geschlossen und durch einen „Oehrn“ mit wagenbreiter Zufahrt von der Giebelseite ersetzt wurde (2. und 3. Bild links). Vermutlich diente diese Halle zeitweise als Bindhaus.

Küferei

Denn 1742 erwarb der „Herrenküfer” Christoph Friedrich Haug das Anwesen. Die hiesigen Herrenküfer kümmerten sich im Dienst des Hauses Württemberg um den Unterhalt des Keltergeschirrs in den Keltern und der Fässer in den herrschaftlichen Kellern von Unterer Kelter, Fruchtkasten und Schloss. Dafür standen ihnen ein Bindhaus im Erdgeschoss des Fruchtkastens zur Verfügung. Als Verwalter der Keltern und des Weinbaus in herrschaftlichen Weinbergen waren sie auch zuständig für die Ermittlung der zu versteuernden Weinmenge sowie für die Abführung der Steuer bei Weinverkäufen.
Einen Beitrag zu ihrem Lebensunterhalt lieferte das private Küfergewerbe und der Weinhandel. Diese Nebentätigkeiten waren erlaubt, sofern der Kelterzwang eingehalten, die Amtspflichten nicht vernachlässigt und die herrschaftlichen Gebäude und Geräte nicht dafür benutzt wurden. Das Gebäude Marktplatz 2 war von 1742 bis 1847 im Besitz von  Herrschafts- und Hospitalküfern.

Gastwirtschaft

1879 wurde in dem Gebäude erstmals eine Gastwirtschaft eingerichtet. Der neue Besitzer Gottlob Deißer nannte sie „Zum Kronprinzen” zu Ehren des späteren Königs Wilhelm II. von Württemberg. Die Schanklizenz durfte der Schmied, Weingärtner und Wirt von seiner bisherigen Bleibe in der Kirchgasse 20 mitnehmen.
Auch wegen der starken gastronomischen Konkurrenz in Markgröningen wechselte der Gasthof von 1890 bis 1900 sechs mal den Besitzer: 1890 ging er an Vinzenz Haag, 1894 an Ernst Schwitzgäbele, 1896 an Katharina und Karl Ahorn und 1897 an Karl Schönstein. Nachdem Vinzenz Haag ihn 1900 zum zweiten Mal erworben hatte, benannte er ihn in „Gasthof zur Traube“ um, weil der Kronprinz inzwischen König geworden war. 1905 übernahm Immanuel Kurtz die „Restauration zur Traube“, 1913 abgelöst durch Albert Mauk, der sie bis 1927 bewirtschaftete.

Gotthilf und Anna Maria Löffler, die 1910 den „Goldenen Hahnen“ erworben hatten, kauften 1927 die Traube und benannten sie nach erfolgter Renovierung in „Gasthof zum Ratstüble“ um (1. Bild rechts). Nachdem Gotthilf 1937 gestorben war, führte seine Witwe den Betrieb bis zum Alter von 68 Jahren weiter. 1942 bis 1952 bewirtschafteten Löfflers Tochter Martha und Gatte Karl Walter, Eltern von Bernhard Walter und Magdalene Weigel, das „Ratstüble”. Familie Walter verpachtete den Gasthof von 1952 bis 1955 an Albert Baumgärtner und verkaufte das Anwesen 1956 an Franz Götten, der die Gastwirtschaft bis 1961 betrieb. Die rückwärtige Scheune wurde damals abgerissen. Der dazu gehörende Schuppen hinter Schlossgasse 1 blieb bestehen. Das „Gärtle“ hinter der Scheune verkaufte Götten an die Nachbarschaft.
1961 ging das „Ratstüble“ zum Preis von 104.000 Mark in den Besitz der Stadt Markgröningen über, die das Gebäude eigentlich auf Abbruch kaufte, um neben dem Rathaus einen „schmucken zeitgemäßen Neubau“ zu erstellen, Was darunter zu verstehen war, zeigte sich wenig später beim Spital! Allein der angespannten Finanzlage der Stadt, die sich derzeit keinen Neubau leisten konnte, verdankte das geschichtsträchtige Haus, dass es dem Abbruch entging. Der bislang zentral an der Giebelseite gelegene Zugang zur Gaststätte wurde schließlich in die ehemalige Durchfahrt zur Scheune verlegt, um den Gastraum zu vergrößern.
Ab 1961 wurde das Ratstüble von Familie Kutschera und weiteren Pächtern bewirtschaftet. Nach einer notdürftigen Renovierung zogen zum Jahresbeginn 1974 Rainer und Albertine Steng als vorerst letzte Pächter ein. Da das Gebäudeinnere und insbesondere die Fremdenzimmer den gestiegenen Anforderungen nicht mehr genügten, wurde der Gasthof 1993 geschlossen und stand einige Jahre leer.

Umbau und Sanierung

Die Stadt suchte vergeblich nach einem Kaufinteressenten  für das Sanierungsobjekt, das 1997 bauhistorisch untersucht wurde. Schließlich gründete die Stadt mit Ruth Farian eine Bauherrengemeinschaft, um den markanten Bau neben dem Rathaus zu retten. 1998 stimmte der Gemeinderat deren Planungen für die Sanierung der Gebäude Marktplatz 2 und Schlossgasse 1 zu. Dieses direkt anschließende Gebäude, das nach seiner Erbauung um 1600 schon einmal zum Ensemble von Marktplatz 2 gehört haben dürfte, konnte während der Planungsphase erworben und in das Nutzungskonzept integriert werden. Architekt war Gerhard Schmid aus Markgröningen.
Bei den staatlich bezuschussten Renovierungsarbeiten wurden im Haus Marktplatz 2 zahlreiche Wandmalereien, zum Teil aus der Bauzeit, und eine Stuckdecke von 1755 gefunden. Ein ehemaliger Fenstererker an der Südseite wurde rekonstruiert. Unter Bodendielen wurden zwei mumifizierte Katzen entdeckt, die vermutlich als Tieropfer gegen Dämonen oder Blitzschlag eingebracht worden waren. Eine Mumie ist im Museum im Wimpelinhof zu besichtigen.
Nach vierjähriger Bauzeit konnten 2001 die miteinander verbundenen Gebäude Marktplatz 2 und Schlossgasse 1 an Mieter und Pächter übergeben werden. Der Großteil des Gebäudekomplexes sollte als Restaurant und Hotel mit acht Zimmern dienen. In den oberen beiden Geschossen von Marktplatz 2 waren Mietwohnungen eingerichtet. Erster Pächter war Helmut Striffler, zuvor Ochsenwirt in Tamm, auf dessen Wunsch das Ratstüblie in  „Herrenküferei“ umbenannt wurde. Von 2014 bis Ende 2020 führte Sebastian Maier den Betrieb.

Privatisierung

Mittlerweile alleiniger Besitzer verkaufte die Stadt den Gebäudekomplex an einen auswärtigen Investor, dem es vorerst schwer fiel, einen adäquaten Pächter zu finden. 2023 haben sich Nadja und Joachim Blank aus Markgröningen entschieden, das im doppelten Sinne „erste Haus am Platze” zu pachten und wieder mit Leben zu erfüllen.
Magdalene Weigel u. Peter Fendrich

Ratstüble 1927

Ostfassade des 1927 renovierten Ratstübles
Bild: Landesdenkmalamt

Traube

Restauration zur Traube mit Scheuer um 1910
Quelle: Erwin Gayer

Ratstüble 1959

Ratstüble 1959 mit Motiven zur Schäferlauf-Geschichte auf der Fassade (Maler: Manfred Rauschmaier)
Bild: Erhard Lenk

Ratstüble 1956

Ratstüble um 1955, Ansichtskarte von Franz Götten
Quelle: Stadtarchiv MG

Ostfassade des Ratstübles 1986

Ratstüble 1986 mit verlegtem Eingang
Bild: Johannes Gromer

Westfassade des Ratstübles

Schuppen und Westfassade 1986 mit Schornstein der unterirdischen Ölheizung für Rathaus und Ratstüble
Bild: Johannes Gromer

Herrenküferei 2000

Im April 2000 war Richtfest
Bild: Hilde Fendrich

Herrenküferei 2001

Herrenküferei kurz vor der Fertigstellung 2001
Bild: Karin Gessler

Herrenküferei 2017

Westfassade mit Aufzug 2017
Bild: Peter Fendrich

Herrenküferei 2017

Ostfassade 2017
Bild: Peter Fendrich

Schlossgasse 1

Schlossgasse 1
Bild: Hilde Fendrich

 Herrenküferei